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Rosseger, Peter - ein Nachruf von Attilio Bleibtreu (1918)

Quelle: ONB-ANNO Moderne illustrierte Zeitung für Reise und Sport-1918-Heft7-Seite 11 Peter Rosegger - Artikel von Attilio Bleibtreu

Am Hügel des grossen Volksschauspielers Girardi liegen noch die welken Blumen und Lorbeergewinde von seiner Totenfeier und ich habe noch gut die Worte im Gedächtnis, die ihm sein Landsmann, der altehrwürdige Heimgärtner Peter nachgerufen, und nun hat auch er in seinem stillen Krieglach die Augen zugemacht, die so gern in die Bergpracht geschaut und hinein in die Himmelsbläue, stundenlang, und nicht müd geworden sind, dem Flug der Wolken zu folgen und ihre wundersamen Formen zui deuten mit seiner dichterischen Phantasie.
Der Tod Roseggers hat die grüne Steiermark sehr arm gemacht, denn an ihm hat sie ihren eigentlichen Sänger verloren, der es wie Keiner verstanden hat, die Schöheiten ihrer Berge und Wälder, die Eigenart ihres Volkes dichterisch zu gestalten. Und nicht nur der Steiermark, allen Deutschen in Oesterreich und auch den Deutschen im Bundesreich nebenan ist mir Rosegger viel verloren gegangen. Sein rühriger Verleger L. Staakmann in Leipzig, der mit seinem Organisationstalent Rosegger erst so recht in alle Herzen des Deutschtums hineinbrachte, könnte wohl am besten von der allgemeinen Beliebtheit der Schriften unseres Heimgärtners berichten. Er brauchte uns dazu nur die Millionenzahl der Bände angeben, die von Roseggerscher Dichtkunst ausgefüllt sind und von Leipzig aus den Weg in alle Himmelsrichtungen nahmen.
Rosegger war einfache und gerade Natur, an der es nichts zu deuteln und zu rütteln gab und die erfüllt war von hingebender österreichischer Innigkeit und Herzlichkeit. Er war uns in der zeitgenössischen vaterländischen Literatur ein Sorgenbrecher und ein wirklicher Veredler des inneren Wesens. Er schrieb für alle die, die sich in ihren Feierstunden aus trüber Gegenwart retten wollten in das Gebiet der Kunst, um "Heilung zu finden in des Dichters Träumen". Für die schuf Rosegger und das sind die Millionen in Dürftigkeit Lebenden, die sich die Anschaffung eines Buches oft vom Munde absparen mussten, das sind die, die sich in kleinen Monatsabzahlungen die wohlfeile Staakmann'sche Gesamtausgabe von Roseggers Werken anschufen und sie in derr guten Stube sorgsam aufgestellt haben in irgend einem Glaskasten oder auf irgend einer Kommode.
Ich habe als Pädagogiumstudent vor ungefähr zehn Jahren, es dürfte um diese Zeit auch die erste Staakmann'sche Gesamtausgabe der Roseggerschriften in den Buchhandel gekommen sein, in Linz an der Stadtgrenze bei ärmlichen Leuten mein Studierkammerl gehabt. Eine 60jährige Frau hat dort für geringes Kostgeld aussereheliche Kinder von Köchinnen und Fabriksmädel grossgezogen und ihre schon 40 Jahre alte, jungfäulich gebliebene Tochter hat Wäsche und Kleider genäht vom frühen Morgen bis in den späten Abend hinein. Als ich einmal Nachmitttags von der Schule heimkam, da nahm mich die altjüngferliche Schneiderin mit einem glücksstrahlenden Lächeln beim Arm und führte mich aus meinem Stüberl in die gute Kammer, öffnete geheimnisvoll einen nie benützten Waschkasten und da sah ich sie in Reih' und Glied stehen, funkelnagelneu, die grauen Roseggerbücher!
Wenn die alte Frau ihre kleinen Kinder zur Ruhe gebracht hatte, steckte die Jungfer Pepi die Nadel in das Nähkissen und die beiden Frauen sassen dann allabendlich in der kleinen Küche beim spärlichen Licht einer schon etwas invaliden Petroliumlampe. Die Jungfer Pepi las laut aus dem sorgfältig in Zeitungspapier gehüllten Roseggerbande vor. Ich hatt mir die Erlaubnis erbeten, die Türe meines Stüberls, die in die Küche führte, offen halten zu dürfen, um auch zuhören zu können. Es wurde oft bis in die Mitternacht hinein gelesen - trotz des frühen Aufstehenmüssens - und oft kam es zu ergreifenden Gefühlsausbrüchen. So, bei diesen guten, kleinen Menschen habe ich Roseggers Werke kennen gelernt!
Rosegger wurde als der Sohn eines kleinen Gebirgsbauern am 31. Juli 1843 zu Alpl bei Krieglach in Steiermark geboren. Bis zum 18. Lebensjahr arbeitete er in der Landwirtschaft, dann trat er zu einem Schneider nach Kathrein am Hauenstein in die Lehre und kam mit 22 Jahren nach Graz zum Besuch der Akademie für Handel und Industrie. 1870 erschienen seine ersten Buchwerke in steirischer Mundart: "Zither und Hackbrett" und "Tannenharz und Fichtennadeln". 1876 begründete er sinen "Heimgarten". Er war ein unermüdlicher Schöpfer und hat wie kaum ein zweiter Dichter seine ganze Lebenskraft für sein Talent gegeben und fünfzig Bände dürften kaum ausreichen, sein Schaffen zu fassen.
Zu seinen bekanntesten und besten Schriften gehören: "Die Schriften des Waldschulmeisters", "Haidepeters Gabriel", "Waldheimat", "Dofsünden", "Der Gottsucher", "Bergpredigten", "Höhenfeuer", "Jakob der Letzte", "Martin der Mann", "Der Schelm aus den Alpen", "Peter Mayr", "Weltgift", "Als ich noch jung war", "Mein Weltleben", "Die Försterbuben" und viele andere.
Grosse nationale Bedeutung bekam Rosegger durch seine Anregung der Zwei Millionenspende für den Deutschen Schulverein, die ihm jenen tiefhaltigen Namen gab, der heute mit seinen Werken sich für die Unsterblichkeit von seiner irdischen Hülle gelöst, die zu Grabe gelegt wird in seinem stillen Krieglach, in dem für ihn Himmel, Fels und Wald am schönsten war.
Attilio Bleibtreu.


Besitzer des Originals bzw. der VorlageONB-ANNO
Datum1918
Verknüpft mitRenato Attilio Bleibtreu; Dr. h. c. Peter Rosegger (Roßegger)

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